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ZWEIHANDER RPG: Revised Core Rulebook $19.99
Publisher: Andrews McMeel Publishing
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by Roger L. [Featured Reviewer] Date Added: 10/18/2017 06:40:00

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den.de/2017/10/18/ersteindruck-zweihaender-der-bessere-kriegshammer/

Zweihänder nimmt mit dem Untertitel Grim & Perilous RPG für sich in Anspruch, nichts für zart Besaitete zu sein. Inspiriert durch das Warhammer Fantasy RPG werden die Spielercharaktere von Chaos, Wahnsinn und Tod bedroht. Das System wird beweisen müssen, dass es nicht bloß auf den Schultern des Schultern seines Vorbilds steht.

Schon im Vorwort macht Daniel Fox, der Autor von Zweihänder, klar, woher seine Inspiration für das Rollenspielsystem stammt. Bevor erste Fans den Namen Zweihänder vorschlugen, hieß es noch Project Corehammer. Die Namensgebung zeigt, dass das Ziel des Systems darin bestand, das Warhammer Fantasy RPG zu beerben.

Dieses Rollenspiel brachte es seinerzeit auf drei Editionen und ermöglichte es den Spielern, Abenteuer in der Alten Welt, dem Hintergrund des Tabletop Urgesteins Warhammer zu erleben. Seit 2015 mit Warhammer: Age of Sigmar eine neue Hintergrundwelt erschaffen wurde, für die eine Pen&Paper-Umsetzung bereits in Arbeit ist, war es unklar, ob der Hintergrund der Alten Welt noch weiter bedient werden würde. Vor einigen Monaten wurde dann eine vierte Edition des Warhammer Fantasy RPG angekündigt.

Zweihänder setzte sich schon 2011 das Ziel, das Gefühl der Alten Welt auch ohne die Marke Warhammer an den Spieltisch zu bringen. Ein Spiel, das diesem Anspruch gerecht werden will, muss düster sein, hart, sogar tödlich. Nach langer Entwicklungszeit und einer Kickstarter-Kampagne liegt das Grundregelwerk vor. Lohnt es sich, den Zweihänder zu schwingen, oder sollte man besser auf einen neuen Kriegshammer warten?

Die Spielwelt

Spitzfindig betrachtet bietet Zweihänder keine Spielwelt an. Das System liefert vielmehr eine große Auswahl an Versatzstücken, die einer vom Spielleiter entworfenen Hintergrundwelt, die passende Atmosphäre verleihen.

Bespielt werden soll eine mittelalterliche Ständegesellschaft. Bildung ist ein seltenes Gut, Aberglaube und Vorurteile sind alltäglich. Neben Menschen tauchen die typischen Fantasy-Rassen auf, wobei Wert darauf gelegt wird, Stereotypen aufzubrechen. Letztlich ähneln sich alle Rassen im Kampf ums tägliche Überleben und sehen sich mit den gleichen Bedrohungen konfrontiert.

Die bespielte Welt wird von acht Winden der Magie durchdrungen, die letztendlich Ausprägungen einer alles bedrohenden chaotischen Energie sind. Dieses Chaos manifestiert sich in Form von Dämonen, Kultisten, kriegslüsternen Heeren sowie Mutationen und Wahnsinn. Jeder Bewohner der Welt läuft Gefahr, den dunklen Einflüssen des Chaos zu erliegen. Magie wird nicht ohne Grund misstrauisch beäugt.

Neben dem Chaos stellen Orks, Rattenwesen, Untote, Geister und Feenwesen eine Bedrohung für die rechtschaffenen Bewohner der Welt dar. Krankheiten, wilde Tiere, Armut oder Ungerechtigkeit erscheinen dagegen fast schon langweilig, sind aber trotzdem ein ernstzunehmendes Problem. Spielercharaktere werden immer wieder vor moralische Entscheidungen gestellt. Es gibt nur wenig Schwarz und Weiß in der Welt, verschiedenste Grautöne sind allgegenwärtig.

Die Götter der Welt unterstützen ihre Gläubigen zwar im Kampf gegen all diese Schwierigkeiten, sind aber launisch und schnell erzürnt. Priester, die die Macht ihres himmlischen Patrons anrufen, riskieren es stets, anmaßend zu erscheinen und das Missfallen der Gottheit zu erregen.

Was man vergeblich sucht, ist eine Karte der Welt. Geografie und Politik sind bewusst offen gelassen worden und sollen vom Spielleiter selbst entworfen werden. Es wird also keine vollständige, bereits bespielbare Welt geboten, dem SL wird stattdessen ein Baukasten an die Hand gegeben, mit dem er ein eigenes Low-Fantasy-Setting kreieren kann.

Um hierbei etwas Hilfe zu bieten, werden vier mögliche Welten vorgeschlagen und sehr grob umrissen. Zwei dieser Entwürfe generieren gänzlich neue Welten, die anderen beiden orientieren sich an der realen Welt des 17. Jahrhunderts und fokussieren die Kolonisierung Nordamerikas beziehungsweise den 30-jährigen Krieg. Zusätzlich ist ein 32-seitiges Szenario enthalten, das bereits einen guten Eindruck der angestrebten Stimmung vermittelt.

Die Idee, die Welt in weiten Teilen dem Spielleiter zu überlassen ist reizvoll, bedeutet aber natürlich Arbeit. Gerade unerfahrene Spielleiter könnten sich hier überfordert fühlen. Am Umfang des gebotenen Hintergrundmaterials ist aber nichts auszusetzen. Besonders positiv hervorzuheben ist das Bestiarium mit 118 beschriebenen Kreaturen und Gegnern, ungewöhnlich viel für ein Grundregelwerk.

Jeder Leser, der mit dem Hintergrund von Warhammer Fantasy vertraut ist, wird hier diverse Elemente wiederfinden. Die genannten Götter entsprechen beispielsweise ihren Pendants aus der Alten Welt, lediglich die Eigennamen wurden durch Titel ersetzt. An anderen Stellen hat man sich weiter von der Vorlage entfernt, aber die Einflüsse sind erkennbar. Der Autor ist ohne Frage ein Fan des Settings und beim Lesen stellt sich das Gefühl ein, dass der Text eine Verneigung vor einem Idol darstellt. Trotzdem ruht sich Zweihänder nicht auf dieser Vorlage aus. Der offene Ansatz und die vorgeschlagenen Szenarien bieten genug Potenzial, sich von der Alten Welt abzusetzen.

Die Regeln

Der grundlegende Regelmechanismus in Zweihänder basiert auf Prozentwürfen, d. h., es wird mit einem W100 geworfen. Ziel ist es, einen bestimmten Prozentwert zu unterbieten. Der Zielwert wird durch eines von sieben Primary Attributes, Skill Ranks und verschiedene Modifikatoren festgelegt. Sollte beim Wurf ein Pasch erzielt werden, wird ein kritischer Erfolg bzw. Misserfolg erzielt, je nachdem, ob der Wurf generell erfolgreich war.

Wenn zwei Charaktere gegeneinander antreten, generiert der Würfelwurf Erfolgsgrade, der Charakter mit den meisten Erfolgsgraden gewinnt den Wettstreit. Bestimmte Umstände erlauben es, die Einer- und Zehnerstellen des W100 zugunsten des Spielers zu vertauschen. Umgekehrt kann der Spieler gezwungen sein, diesen Tausch zu seinen Ungunsten durchzuführen.

[box]Beispiel: Ein Charakter versucht, ein Gespräch zu belauschen. Sein Wert in Perception liegt bei 43 %. Ein Rang in der Fertigkeit Eavesdrop besitzt, verbessert diesen Wert auf 53 %. Der Wurf ergibt 61, normalerweise ein Fehlschlag. Glücklicherweise erlaubt eine der Fähigkeiten des Charakters, die Ergebnisse zu tauschen. Dadurch ist das Ergebnis 16, der Wurf ist erfolgreich.[/box]

Diese Würfel entscheiden über das Schicksal. Auf diesem Regelkern baut ein größeres System von Sonderregeln auf. Für Intrigen, Reisen und Verfolgungsjagden benutzt Zweihänder Mechaniken, die deutlich komplexer ausfallen. Auch Verletzungen und ihrer Heilung wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Der Grund für diese umfangreichen Regeln im Bereich Heilung zeigt sich, wenn man die Regeln für Kämpfe betrachtet.

Jeder Charakter kann pro Kampfrunde drei Action Points einsetzen, mit denen Bewegung, Angriff und Verteidigung bezahlt werden. Es gilt also abzuwägen, wie offensiv man agiert, denn die Wege, aus einem Kampf auszuscheiden sind mannigfaltig. Im besten Fall wird ein Charakter wegen physischer oder psychischer Belastung bewusstlos. Taktische Fehler oder simples Pech können aber auch schnell zu Verletzungen, Blutungen und direktem Charaktertod führen, da die Würfe zur Bestimmung von Waffenschaden explodieren, d. h. Höchstwerte erlauben es, weitere Würfel zu werfen, die wiederum weitere Würfel generieren können. Dadurch kann jeder Angriff potenziell tödlich enden.

Schon ein Probekampf hat gezeigt, dass es normal ist, in jeder Auseinandersetzung ernstzunehmende Blessuren zu erleiden. Gewalt bedeutet in Zweihänder harte Konsequenzen. Das Regelwerk rät sogar dazu, gleich drei Charaktere zu erschaffen, um Ausfällen vorzubeugen.

Um das hohe Risiko kalkulierbarer zu machen, verfügen Spielercharaktere über Fortune- und Fatepoints. Diese erlauben es, Würfe zu wiederholen, oder, im Falle der Fatepoints, dem Tod nochmal von der Schippe zu springen. Trotzdem bleibt das System knallhart. Zweihänder verspricht eine Welt, die keine Fehler verzeiht und genau dass bekommt der Spieler auch.

Die Regeln für Magie unterscheiden sich kaum von normalen Fertigkeitswürfen, ergänzen sie aber um eine besondere Komponente. Zaubersprüche zu wirken kann Manifestationen des Chaos heraufbeschwören. Je stärker der Zauber, desto extremer die negativen Auswirkungen.

Auch wenn das Regelwerk auf den ersten Blick sehr umfangreich wirkt und man sich als Leser etwas erschlagen fühlt, stellt sich bei den Regeln schnell Gewöhnung ein. Als Spieler ist es ohnehin nicht nötig sämtliche Regeln zu kennen, da der eigene Charakter nur Zugriff auf einen Bruchteil der zahlreichen Fähigkeiten hat. Der Spielleiter wird hier natürlich stärker gefordert. Sämtliche Regeln lassen sich aber im Kern immer auf den Grundmechanismus des W100-Wurfs zurückführen.

Charaktererschaffung

Spielern, die ihre Charaktere gerne optimieren, wird die Charaktererschaffung in Zweihänder sauer aufstoßen. Fast alle Bestandteile des Charakters werden dem Zufall in Form eines Würfelwurfs überlassen. Die Grundwerte der sieben Attribute werden ausgewürfelt, eine Zuweisung dieser Werte zu den gewünschten Attributen findet nicht statt.

Auch das Geschlecht, der soziale Stand und die Rasse des Charakters werden ausgewürfelt. Lediglich die Entscheidung, einen Menschen zu spielen kann frei getroffen werden, da Menschen die dominante Rasse der Welt darstellen.

Der Smuggler. Harrison Ford lässt grüßen Im Anschluss bestimmt der Zufall die Profession des Spielercharakters. Im Laufe des Spiels können nacheinander drei Professionen erlernt werden, die Zugang zu Skills und Fähigkeiten gewähren. Im Rahmen der Charaktererschaffung kann der Spieler ein kleines Kontingent an Reward Points ausgeben, um einige dieser Optionen zu erwerben.

Um den Charakter weiter auszudefinieren, werden noch verschiedene Hintergrundinformationen ausgewürfelt. Besonders hervorzuheben sind dabei das Dooming, eine Prophezeiung über den Tod des Charakters und das Alignment. Dabei handelt es sich um ein System von zwei moralischen Extremen der Ordnung und des Chaos, zwischen denen sich der Charakter bewegt, beispielsweise Heldentum und Martyrium.

Das Alignment ist ein rollenspielerischer Anreiz, hat aber auch regeltechnisch Bedeutung. Strebt der Charakter dem Ideal der Ordnung nach, wird er mit Fatepoints belohnt, neigt er zum Chaos, verfällt er dem Wahnsinn.

Am Ende entsteht ein Charakter, der grundlegend kompetent in seinem Aufgabenfeld ist. Trotzdem ist der Powerlevel zum Spielbeginn relativ niedrig. Der ganze Prozess der Charaktererschaffung geht schnell und einfach vor der Hand, da fast alle Entscheidungen dem Würfel überlassen werden.

Die Aufgabe des Spielers besteht darin, die zufälligen Elemente zu einem funktionierenden Charakterkonzept zusammenzufügen. Diese mangelnde Kontrolle ist ungewohnt, aber das System funktioniert. Alle probeweise erschaffenen Charaktere haben ganz automatisch zu stimmungsvollen Hintergrundgeschichten inspiriert.

Erscheinungsbild

Auf fast 700 Seiten macht das PDF einen soliden ersten Eindruck. Die Texte sind ordentlich strukturiert, und werden immer wieder durch Textboxen, Tabellen und Illustrationen durchbrochen. Teilweise wirken die Seiten aber überfüllt. Die Übersichtlichkeit leidet darunter glücklicherweise nicht, denn das Inhaltsverzeichnis existiert in Form von Lesezeichen und ermöglicht schnellen Zugang zu allen Abschnitten. Zusätzlich ist ein umfangreicher Index enthalten.

Die schwarz/weißen Illustrationen bewegen sich qualitativ im Mittelfeld. Da nur ein einzelner Illustrator tätig war, ist der Stil angenehm einheitlich. Die zahlreichen Bilder schaffen es, die Stimmung der Texte einzufangen.

Diese sind angenehm zu lesen, vor allem, da in regelmäßigen Abständen kleine Gags eingebaut wurden, die den Leser zum Schmunzeln bringen. Dass die Spezialfähigkeit der Profession Kammerdiener beispielsweise Alfred Pfennigworth heißt, dürfte vielen Comic-Fans gefallen.

Leider kann der im Regelwerk enthaltene Charakterbogen nicht überzeugen. Viele Bereiche bestehen aus leeren Textfeldern, die nicht liniert sind. Andere Felder sind zu klein für die Informationen, die eingetragen werden sollen.

Bonus/Downloadcontent

Das online verfügbare Zusatzmaterial ist umfangreich. Die Homepage des Systems bietet verschiedene Charakterbögen, Tabellen zur Verwaltung von regelintensiven Szenen und Artikel sowie Videos zum Spielsystem. Außerdem steht eine unbebilderte Version des Regelwerks kostenlos als PDF zur Verfügung.

Fazit

Im Ausrüstungskapitel heißt es in der Beschreibung des Zweihänders, dass er weitaus effizienter zu führen sei, als der Kriegshammer. Diese Aussage spielt mit dem Fakt, das Zweihänder sich den Vergleich mit dem Warhammer Fantasy RPG gefallen lassen muss. Die Anleihen an dieses System sind unübersehbar.

Einen Innovationspreis wird Zweihänder nicht gewinnen, aber das ist auch nicht das Ziel dieses Regelwerks. Es will das Feeling eines Klassikers in die Gegenwart transportieren. Das System schreibt sich auf die Fahnen, knallhart zu sein, dreckig und fatalistisch. Nach vier erschaffenen Charakteren und einem ausgewürfelten Kampf entsteht der Eindruck, dass dieses Versprechen eingehalten wurde.

Liebhaber regelarmer Systeme, optimierter Charaktere und strahlender Helden werden keinen Gefallen an Zweihänder finden. Wer aber bereit ist, mit Freude zu leiden, sich von der gewohnten Charaktererschaffung zu verabschieden und eine vom Chaos bedrohte Welt auszuarbeiten, sollte nicht zögern. Ein unglaublich umfangreiches Grundregelwerk und ein fairer Preis machen den Zweihänder zur Waffe der Wahl.



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